Potsdamer Konferenz - Forum IV
Sonderprogramme und Gender-Mainstreaming
Der von der europäischen Kommission initiierte Prozess des Gender-Mainstreaming hat zum Ziel, Entscheidungsprozesse zu (re)organisieren, zu verbessern, zu entwickeln und zu evaluieren, mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen. Gleichstellung ist also eine Querschnitts- bzw. Gemeinschaftsaufgabe und ergänzt die bisherige spezifische Gleichstellungspolitik, kann sie aber nicht ersetzen. Wichtige Grundlagen sowohl für spezifische Gleichstellungspolitiken als auch den Ansatz des Gender-Mainstreaming sind die gesetzlichen bzw. verfassungsrechtlichen Regelungen. Hier ist durch den Vertrag von Amsterdam (in Kraft seit 1. Mai 1999) eine über die bisherige Rechtslage weit hinausgehende Absicherung erfolgt (vgl. insbesondere Artikel 2, 3, 137, 141). Durch Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Gleichstellungsauftrag explizit als staatliche Aufgabe verankert.
Gesetze sind jedoch das eine, die Umsetzung ist das andere. Die Hochschulen haben - wie der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Chancengleichheit zu Recht betont hat - als öffentliche Institution eine besondere Verantwortung für die Umsetzung des Verfassungsauftrages. Durch §§ 5, 6 HRG ist der Ansatz des Gender-Mainstreaming aufgegriffen worden, da nunmehr die Erfüllung des Gleichstellungsauftrages sowohl bei der Mittelzuweisung als auch bei der Evaluierung von Leistungen der Hochschule mit einzubeziehen ist.
Durch diesen Ansatz wird deutlich, dass sich im Bereich der Gleichstellungspolitik ein Paradigmenwechsel vollzieht: Von einer "Frauenförderpolitik", die auf die individuelle Förderung von Frauen abgestellt war, um insbesondere die Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu lösen, damit aber das Problem der Frauen individualisierte, hin zu einer Politik der strukturellen Chancengleichheit, die die Änderung von Strukturen insbesondere in den Hochschulen mit in den Blick nimmt. In diesem Kontext sind dann nicht Frauen das Problem, sondern die Strukturen. Ebenfalls wird deutlich, dass Frauen ein Potential sind, das für die Hochschulen wichtig ist, um ihre eigene Qualität zu verbessern.
Frauen stehen also nicht auf der Nehmerinnenseite von Frauenförderprogrammen, sondern sie sind Geberinnen, indem sie sich mit ihren Ressourcen einbringen, mit ihrer Kompetenz, mit ihrer Bildung. Insofern müssen sie selbstverständlich davon ausgehen können, dass ihre Leistungen genauso bewertet und anerkannt werden wie die der Männer. Dann wird es auch Selbstverständlichkeit, dass in der Tat Frauen in allen Bereichen beteiligt werden, ihre Sichtweisen auf allen Ebenen berücksichtigt werden.
Dann brauchen sie nicht mehr "gefördert" zu werden, sondern sie sind integraler Bestandteil der Strukturen, des Systems. Um diesen Prozess zu initiieren bzw. zu verstärken, bedarf es struktureller Maßnahmen, wie z.B. der Beteiligung von Frauen und Frauenbeauftragten in den Berufungskommissionen, der Stärkung der Beteiligungsrechte der Frauenbeauftragten, um eben die geschlechterdifferenzierte Sichtweise in alle Bereiche einzubringen.
Festzuhalten bleibt, dass sich die drei Ebenen:
Die Struktur des Programmteils "Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre" wurde maßgeblich vom BLK-Arbeitskreis "Förderung von Frauen in der Wissenschaft" vorbereitet und in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Arbeitskreis "Hochschulsonderprogramm" ausführlich diskutiert. Die dem - auf das Wesentliche beschränkten - Text der Vereinbarung zugrunde liegenden Überlegungen des Arbeitskreises waren folgende:
Durch das Hochschulsonderprogramm III ist ein breites Spektrum spezieller frauenfördernder Maßnahmen zur Verfügung gestellt worden (§ 5 Abs. 1 der Bund-Länder-Vereinbarung).
Im Rahmen der Zielsetzung, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu steigern und den Anteil von Frauen in den Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, insbesondere bei der Habilitation und den Professuren, zu erhöhen, wurden zum einen gezielte Fördermaßnahmen für junge Wissenschaftlerinnen vorgesehen; insbesondere sollte eine bessere Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Laufbahn erreicht sowie ein eventueller Wiedereinstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn erleichtert werden. Zum anderen sollte bei allen personenbezogenen Maßnahmen ein Anteil von 20 % der Gesamtsumme des Programms zur Förderung von Frauen verausgabt werden (§ 5 Abs. 2 und 3 der Bund-Länder-Vereinbarung).
Die Länder haben die für frauenfördernde Maßnahmen zur Verfügung gestellten Mittel des HSP III (40 Mio. DM p.a.) mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen verwendet.(1) Die Erfahrungen mit einzelnen Programmelementen differieren zum Teil beträchtlich.
Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, ist künftig eine Konzentration der Fördermaßnahmen auf wenige Schwerpunkte erforderlich, die umso höher dotiert sein sollen, je ausgeprägter die Unterrepräsentanz von Frauen ist. Maßnahmen sollten stärker an strukturellen Gesichtspunkten ansetzen und insbesondere darauf zielen, das Qualifikationspotential von Frauen in die Hochschulstrukturen zu integrieren. Für die Verwendung der erheblich erhöhten Mittel des Programmteils Chancengleichheit (60 Mio. DM p.a.) sind drei Maßnahmebereiche festgelegt: Qualifizierungsbezogene Maßnahmen, Innovation für die Wissenschaft durch Frauen- und Genderforschung und Motivierung für ein naturwissenschaftlich/technisches Studium.
1.
Die Beschäftigung auf Stellen dient dem Ziel einer eigenständigen partnerunabhängigen Förderung sowie der sozialen Absicherung von Frauen, was insbesondere für Alleinerziehende von zentraler Bedeutung ist. Die Rahmenbedingungen von personenbezogenen Fördermaßnahmen sind ent-sprechend der unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen flexibel zu gestalten (d. h. Teilzeitbeschäftigung bei Stellen, Kinderbetreuungszuschläge bei Stipendien, weitgehender Verzicht auf Altersgrenzen). Bei der Qualifizierung für eine Professur an Universitäten ist es das Ziel, Frauen nach der Promotion (oder einer entsprechenden künstlerischen Leistung) für eine Professur zu qualifizieren, sei es durch eine Habilitation, sei es über andere (alternative) Qualifikationswege (z. B. Leitung eigener Forschungsgruppen/Forschungsprojekte, Auslandsaufenthalt). Als Maßnahmen kommen in Betracht:
Der Anteil von Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen ist mit Ausnahme des Lehramtes nach wie vor weit unterdurchschnittlich.
Angesichts einer durchschnittlichen Promotionsquote von 32,1 % (1997) erscheint eine generelle Förderung von Promotionen durch ein Bund-Länder-Programm nicht mehr vordringlich. Fächerspezifisch gibt es allerdings z.T. noch eine erhebliche Unterrepräsentanz.
Deshalb sollte über die Förderung von Promotionsvorhaben im Rahmen der Qualifizierung für eine Hochschulprofessur hinaus eine Förderung nur erfolgen in Fächern mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Promotionsquote(4), und um ein Potential, das aufgrund eines unterbrochenen Qualifikationsweges verloren zu gehen droht, zu sichern. Die Förderdauer sollte 3 Jahre (Vollzeit) nicht überschreiten.
2.
3.
Fördermittel können insoweit eingesetzt werden als Anreiz zur Verstetigung bereits erprobter Module, gekoppelt mit einer Verpflichtung der Hochschule zur nachhaltigen Weiterführung dieser Ansätze sowie zur Erarbeitung von Modellen für neue Formen von Studienangeboten, die die Interessen und Schwerpunkte von Frauen in besonderer Weise berücksichtigen. Es ist beabsichtigt (5), die zur Verfügung stehenden Mittel in folgendem Umfang in den Maßnahmebereichen zu verwenden:
Für qualifizierungsbezogene Maßnahmen 75 %, das beinhaltet die Qualifizierung für Universitätsprofessuren, für Fachhochschulprofessuren und die Promotionsförderung, die allerdings nicht mehr als 15 % der Mittel umfassen darf.
Weitere 15 % stehen für die Frauen/Genderforschung zur Verfügung und
10 % der Mittel sind für die Motivierung für naturwissenschaftlich-technische Studiengänge vorgesehen.
Wichtig erschien dem Arbeitskreis auch eine frühzeitige, breite Information über Ziele und Maßnahmen des Programms, insbesondere an den Hochschulen. Sowohl bei der Programmgestaltung in den Ländern als auch bei der Umsetzung des Programms in den Hochschulen sollten die Frauenbeauftragten beteiligt werden. Ferner ist eine regelmäßige Berichterstattung der Hochschulen sowie der Länder über die Umsetzung des Förderprogramms vorzusehen. Insoweit sieht die Vereinbarung vor, dass bis zu 5 % der Mittel für Information, Evaluation und Controlling eingesetzt werden können.
Mit der im Hochschul-Wissenschaftsprogramm verankerten Doppelstrategie, nämlich einerseits in dem Programmteil Chancengleichheit spezifische Maßnahmen vorzusehen, andererseits durch die 40 % Vorgabe für die Beteiligung von Frauen an den personenbezogenen Maßnahmen der anderen Programmteile den Gender-Mainstreaming-Ansatz zu verfolgen, wird eine tragfähige Grundlage geschaffen, um die Repräsentanz von Frauen an Hochschulen zu erhöhen und damit zugleich zu einer wesentlichen Qualitätssteigerung der Hochschulen beizutragen.
|
Einführung/Thesenpapier/ Bericht - Christa Cremer-Renz, Klaus Faber - Prof. Dr. Klaus Landfried - Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel - Barbara Stolterfoht
Round-Table 1:
Round-Table 2: |