Potsdamer Konferenz - Forum I
Bernd Drägestein Aus Männersicht!
Die Wahrnehmung männlicher Anteile zum Thema "Chancengleichheit" ist von zentraler Bedeutung: Der Gender-Mainstreaming-Prozess muss, um effektiv und nachhaltig zu wirken, gleichermaßen seinen Focus auf die Belange von Frauen und von Männern ausrichten. Nur im Zusammenspiel von Reflektion und Dialog kann dieses anspruchsvolle Instrument geschlechtsspezifische Entwicklung, gesellschaftliche Innovation und mutige Visionierung vorantreiben.
Der Prozess kann nur erfolgreich gestaltet werden, wenn beide Geschlechter am Verlauf partizipieren und produktiv Einfluss nehmen. Verfolge ich diesen Gedanken weiter, so rücken zwei zentrale Fragestellungen aus der Sicht der Männer deutlich in den Vordergrund:
Ein Großteil der Männer versteht Gleichsein der Geschlechter als Heranführung an Lebensbedingungen und Wertmaßstäbe, die deutlich mehr an den männlichen Lebensweisen orientiert sind. Die bewusste Wahrnehmung männlicher Rollensysteme und deren Auswirkungen auf ihre Lebensvorstellungen findet nur selten statt.
Nur bei lebensbedrohlichen Krisen und grundlegenden existenziellen Veränderungen werden Männer in der Regel auf ihre Person zurückgeworfen und setzen sich erst dann - aber auch nicht immer! - mit ihrer Situation und Veränderungswünschen auseinander. Eine Kultur männlich geschlechtsbezogener Reflexion zum eigenen sozialen Rollenkontext ist nur sehr gering ausgeprägt und besitzt zusätzlich keine Tradition unter Jungen und Männern.
Politik, Wirtschaft, Kirchen, Gewerkschaften, die großen öffentlichen Begegnungsflächen in unserer Gesellschaft, sind in ihrer Konstruktion nach männlichen Normen und Vorstellungen ausgerichtet und entsprechend strukturiert (z.B. strenge Hierarchie, Geschlechterkonstellationen). Unter diesen Umständen findet eine Bewusstseinsbildung zum Gender-Mainstreaming-Prozess nur zögerlich statt. Diskriminierungen, Opfererfahrungen und Benachteiligungen von Männern/ Jungen werden aus der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet.
Und zwar nicht nur von Männern. Es passt auch nicht zu einem so genannten "starken" männlichen Leitbild und führt von Verunsicherung bis hin zur Bedrohung eigener Realitäten. Die Folgen sind häufig konfrontative Blockbildungen sowie Abwertungen zum Gender-Mainstreaming.
Ich will einige Beispiele zu männlichen Erfahrungen im Gender-Prozess benennen: Im Wissen um diese Reaktionen muss sich eine Angebotsstruktur zum Gender-Mainstreaming-Prozess formen, die mit dieser aufkommenden Energie arbeitet. Aus jahrelangen Erfahrungen aus dem Bereich des Genderwork, d.h. gemischtgeschlechtlichen Bildungsveranstaltungen zum Geschlechterthema, kristallisieren sich folgende (pädagogisch-didaktische) Arbeitsstrukturen und Organisationsmerkmale heraus, die auch für den männlichen Prozess dienlich sind.
Zunächst muss die Leitung der Bildungsmaßnahme geschlechtsparitätisch besetzt sein. Der männliche Teil positioniert sich mit seiner Beteiligung und Präsenz als verantwortungsvoller "Wegweiser" zum Thema (Vorbildfunktion). Desgleichen sollte im Vorfeld der Veranstaltung darauf geachtet werden, dass die Zusammensetzung der Teilnehmenden ebenfalls möglichst annähernd geschlechtsparitätisch, mindestens aber 1/3 männlich, besetzt wird (Quotierung). Lassen die zeitlich und räumlichstrukturellen Bedingungen eine phasenweise geschlechtsgetrennte Arbeitsgruppensituation zu, so sollte diese Möglichkeit von der Leitung konsequent und zielgerichtet genutzt werden (eigene Reflektionsräume).
In diesen homogenen Räumen können die Männer (und Frauen) die eigenen Positionen entlasteter diskutieren. Bedeutsam ist, dass sie in dieser Konstellation auf sich und ihr Geschlecht zurückgeworfen sind (Druckentlastung & Positionierung). Im Anschluss sollte es einen "strukturierten Dialog" zu den Erfahrungen und Ergebnissen des geschlechtshomogenen Arbeitsprozesses zwischen den Frauen und Männern geben (Rückkopplung). Abschließend muss eine Fixierung und Dokumentation der Ergebnisse und der zukünftigen Aufgaben (Sicherung) vorgenommen werden.
Diese eher grob dargestellten Arbeitsschritte haben zum Ziel, bewusstseinsbildend an der geschlechtlichen Haltung des Einzelnen, aber auch der Gruppe zu arbeiten. Es gilt einen zweifachen Dialog herzustellen:
durch. Dies sind Beispiele für Möglichkeiten, das Thema der Chancengleichheit der Geschlechter für die Entwicklung von Visionen in den gesellschaftlichen Prozess einzubringen.
Die folgenden abschließenden Punkte sind in ihrer Ausrichtung und Bewertung als gleichwertig anzusehen und beziehen sich aufeinander: Um einen stabilen und flächendeckenden Entwicklungsprozess zur geschlechterbezogenen Chancengleichheit zu installieren, ist es unerlässlich, die Thematik als Querschnittaufgabe in sämtliche vorstellbaren Bereiche zu integrieren. Insbesondere in Bildungsmaßnahmen als festen Bestandteil etablieren, um Bewusstseinsbildung und Chancengerechtigkeit zu fördern.
Vorhandenes Datenmaterial muss zur qualitativen Reflexion und Analyse geschlechtsspezifisch ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden. Diese Datenergebnisse müssen in den Geschlechterdialog eingespeist und die Folgen evaluiert werden. Es geht darum, Themen der männlichen Sozialisation in Forschung und Lehre konsequent einbeziehen, Kulturen und Räume zu gestalten, wo reflexiv geschlechtshomogene Themen verhandelt und visioniert werden können. Jungen- und Männerbildung muss als selbstverständliches Konzeptverständnis festgeschrieben und durch zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung zum Thema unterstützt werden.
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Einführung/Thesenpapier/ Bericht - Barbara Stiegler - Marion Lührig / Barbara Stiegler
Round-Table 1:
Round-Table 2:
Round-Table 3: |