Potsdamer Konferenz - Forum VI

Gabriele Lichtenthäler

Virtuelles Lernen an Hochschulen

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) hat im Februar 1997 eine länderoffene Arbeitsgruppe "Multimedia im Hochschulbereich" auf der Ebene der Staatssekretäre des Bundes und der Länder eingesetzt. Die BLK verabschiedete am 9. März 1998 den ersten Bericht, worin die Arbeitsgruppe die Aufgabenfelder darlegte-, die sie 1997 bearbeitet hat.

Dies betraf zunächst

  • den gegenseitigen Informationsaustausch über organisatorische und konzeptionelle Aktivitäten im Multimediabereich der Hochschulen,
  • Rechtsfragen beim Einsatz von Multimedia,
  • Fragen der Nutzungsgebühren und Tarife,
  • die Aktualisierung des BLK-Förderschwerpunktes "Fernstudium" mit dem Ziel einer verstärkten Förderung multimedial ausgerichteter Projekte sowie
  • Überlegungen zur Erhöhung der Beteiligung der deutschen Hochschulen an europäischen Förderprogrammen.
Sie hat zudem weitere Arbeitsschritte vorgeschlagen für die Bereiche, in denen gemeinsames Handeln von Bund und Ländern erforderlich ist, um Hindernisse für den Einsatz neuer Medien in Lehre und Studium zu beseitigen und damit die Entwicklung zu fördern. Am 7. Juni 1999 hat die BLK den zweiten Bericht der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe verabschiedet.

Um die internationale KonkurrenzFähigkeit der Hochschulausbildung und die Berufschancen der jungen Generation im globalen Wettbewerb sicherzustellen, wird ein auf Rechnervernetzung und Multimedia gestütztes Studium eine "normale" Form des Studiums werden.

Hauptthema der Diskussion in der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe war eine künftige Rolle der Hochschulen in der sich entwickelnden globalen Wissens- und Informationsgesellschaft. Um die internationale Konkurrenzfähigkeit der Hochschulausbildung und die Berufschancen der jungen Generation im globalen Wettbewerb sicherzustellen, wird ein auf Rechnervernetzung und Multimedia gestütztes Studium eine "normale" Form des Studiums werden. Gleichzeitig müssen die Hochschulen die Weiterbildung mittels Neuer Medien verstärkt als Aufgabe erkennen, indem sie attraktive und auf die Belange des Beschäftigungssystems zugeschnittene Angebote machen.

Eine Vielzahl von Akteuren gestaltet und fördert den sich auf verschiedenen Ebenen voll-ziehenden Entwicklungsprozess zur Wissens- und Informationsgesellschaft. Hierzu gehören die Länder und die Hochschulen, der Bund sowie die Europäische Union und viel stärker als bisher bei bildungspolitischen Entwicklungen auch die Wirtschaft.

Da es zu Multimedia keine vergleichbaren Entwicklungen gibt, ist es schwierig, den Investitionsbedarf verlässlich abzuschätzen. Offen ist auch die Frage der längerfristigen Akzeptanz der Neuen Medien bei den Lernenden und den Lehrenden. Die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen, die die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien bringen werden, sind derzeit noch nicht in ihrer Gesamtheit sichtbar.

Es ist daher besonders wichtig, heute innovative, alltagstaugliche Konzepte zu entwickeln, die demonstrieren, was morgen zum Alltag gehören wird. Diese Konzepte werden sich nur im Wettbewerb entwickeln. Ein Wettbewerb von privaten und staatlichen Einrichtungen und Angeboten wird als fruchtbar und entwicklungs-fördernd begrüßt. Die Hochschulen ihrerseits sind gefordert, auf dem internationalen Bildungsmarkt mit marktfähigen Produkten präsent zu sein, um die Austauschbilanz mit anderen Ländern zumindest ausgewogen zu halten. Die sechs Schwerpunkte der laufenden Diskussion sind:

  • Finanzierung und Finanzierungsinstrumente,
  • Veränderungen des Bildungsmarktes durch Globalisierung und Initiativen der Wirtschaft,
  • Anreizsysteme für Entwicklung und Einsatz neuer Medien,
  • Rechtsfragen, Auswirkungen auf Kapazitätsrecht,
  • Deputatsanrechnungen und Personalstruktur sowie
  • Gebühren.

Finanzierung:

Der Wissenschaftsrat hatte 1998 in seinen "Empfehlungen zur Hochschulentwicklung durch Multimedia in Studium und Lehre" den jährlichen Investitionsbedarf in den Hochschulen auf 1,5 bis 3 Mrd. DM eingeschätzt. Im Hinblick auf die rasche Fortentwicklung der Technik ist mit kurzen Reinvestitionszyklen von drei bis vier Jahren zu rechnen. Größer als der Investitionsbedarf wird der finanzielle Bedarf zur Entwicklung nachhaltiger Wissens- und Informationsstrukturen zur Unterstützung der Präsenzlehre und ihrer teilweisen Substitution im Rahmen des Selbststudiums eingeschätzt.

Länder und Hochschulen sind aufgefordert, innerhalb der Hochschulen Prozesse in Gang zu setzen mit dem Ziel, für Entwicklung und Einsatz von Lernsoftware Refinanzierungsstrukturen zu schaffen.

So deutlich auf der einen Seite ist, dass die Hochschulen diese Anstrengungen nicht aus eigener Kraft tragen können, ist andererseits klar, dass die erforderlichen Mittel für Entwicklung und Einsatz neuer Medien nicht ausschließlich als Zusatz-mittel zur Verfügung zu stellen sind; die Hochschulen werden dies bei ihrer internen Mittelverteilung zu berücksichtigen haben.

Länder und Hochschulen sind aufgefordert, innerhalb der Hochschulen Prozesse in Gang zu setzen mit dem Ziel, für Entwicklung und Einsatz von Lern-Software Refinanzierungsstrukturen zu schaffen. Die Staatssekretärs-Arbeitsgruppe ist übereingekommen, dass vorrangig die Entwicklung nachhaltiger und breit einsetzbarer Lehr- und Lernsoftware gefördert werden soll; für die Investitionen muss im Wesentlichen auf die bestehenden Fördermöglichkeiten zurückgegriffen werden (HBFG, CIP/WAP).

Deutsche Hochschulen sind bislang allenfalls ansatzweise bereit und in der Lage, ihre Qualifizierungsangebote auf den internationalen Bildungsmärkten zu offerieren.

Unter Einsatz öffentlicher Mittel soll jedoch nur die Entwicklung solcher Materialien gefördert werden, von denen erwartet werden kann, dass sie innerhalb der Hochschule übertragbar und zwischen den Hochschulen austauschbar sind. Weiter ist sicherzustellen, dass Leistungsnachweise, die auf der Grundlage dieser Materialien an einer Hochschule erbracht und von ihr zertifiziert wurden, auch von anderen Hochschulen anerkannt werden. Ferner seien Instrumente zu entwickeln, die die Nachhaltigkeit/Qualität der mit der Förderung erzielten Ergebnisse sichern.

Förderung soll ferner die Strukturentwicklung sowohl zum Aufbau von Kompetenz- und Dienstleistungsstrukturen sowie zur Distribution der Lehr- und Lernmaterialien, als auch zur digitalen Betreuung und zur Kooperation der Hochschulen untereinander sein. Zwischenzeitlich steht das Programm zur Förderung der Entwicklung neuer Medien für die Anwendung in der Lehre im Rahmen der Nachfolgeaktivitäten zu HSP III fest. Es wird vom Bund allein finanziert und stellt für die Jahre 2001 bis 2003 insgesamt 135 Mio. DM zur Verfügung.

Veränderung des Bildungsmarktes durch Globalisierung und Initiativen der Wirtschaft:

Der Bildungsmarkt wird sich durch die globalen Einsatzmöglichkeiten von Multimedia und durch das verstärkte Vordringen ausländischer Hochschulen und privater Bildungsanbieter im Internet verändern. Die Arbeitsgruppe hat mögliche Konsequenzen diskutiert, die sich aus dieser Entwicklung ergeben könnten. Deutsche Hochschulen sind bislang allenfalls ansatzweise bereit und in der Lage, ihre Qualifizierungsangebote auf den internationalen Bildungsmärkten zu offerieren.

Nicht zuletzt wird es darauf ankommen, das Problembewusstsein der Hochschulen und ihres Personals für die vielfältigen Anforderungen, Auswirkungen und Veränderungen zu schärfen, die die Hochschulen in die Lage versetzen, sich auf dem neuen medien-globalisierten Bildungsmarkt der Zukunft gegenüber der inter-nationalen Konkurrenz behaupten und profilieren zu können. Notwendige Schritte hierzu sind u. a.

  • die Entwicklung von Kooperationsstrukturen zwischen den Hochschulen, die zu Synergieeffekten führen,
  • die Integration ausländischer Lehrangebote,
  • die Zertifizierung erbrachter Studienleistungen nach Credit Points sowie
  • die Einführung international anerkannter und verwertbarer Abschlüsse.
Die Bund-Länder-Kommission ist der Empfehlung der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe gefolgt und hat am 1. Oktober 1999 zu den Auswirkungen der Globalisierung des Bildungsmarktes durch neue Medien auf die Hochschulen ein bildungspolitisches Gespräch mit deutschen und internationalen Sachverständigen aus Hochschulen, Wissenschaft und Wirtschaft geführt. Die von der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe getätigte Defizitanalyse sowie die markierten Arbeitsfelder der näheren Zukunft wurden von den Sachverständigen im Wesentlichen bestätigt. Die hieraus zu ziehenden Folgerungen werden im Einzelnen Eingang in den im Frühjahr 2000 vorzulegenden Schlussbericht finden.

Anreizsysteme zum Einsatz neuer Medien in der Lehre:

Für den breiten Einsatz von Multimedia in der Hochschullehre müssen Anreize geschaffen werden und zwar einerseits für die Entwicklung, Herstellung und Verbreitung von Materialien, andererseits für die Betreuung von Studierenden, die an rechnergestützten Lehrveranstaltungen teilnehmen. Wichtig ist ferner, Anreizsysteme für den Austausch zwischen einzelnen Hochschulen auch über die Grenzen der eigenen Landes zu entwickeln. Dies soll einerseits durch leistungsbezogene Mittelzuweisungen an und innerhalb der Hochschulen geschehen. Anrechnung auf Lehrkapazität und Vergütung von Nutzungsrechten sowie Vergütung arbeitsintensiver Entwicklungen über die hoch-schuldidaktische Aufbereitung der Lehrveranstaltungen hinaus wären weitere Anreize.

Eine sozialverträgliche Gestaltung der Gebühren für den Schul- und Hochschulbereich ist unabdingbar für die breite Anerkennung und Nutzung.

Klarheit besteht, dass die Schaffung von Anreizen erforderlich ist, andererseits jedoch zunehmend Refinanzierungsmöglichkeiten für die Hochschulen, auch zur Entwicklung neuer Materialien, geschaffen werden müssen. Das geltende Dienstrecht ist auf die veränderten Bedingungen nicht eingestellt. Derzeit werden deshalb häufig Ausweichlösungen durch Organisationsformen außerhalb der Hochschule gesucht, die jedoch die erwünschten Rückflüsse sowohl inhaltlicher Anregungen als auch zur materiellen Refinanzierung erschweren. Lösungen kann die aktuelle Dienstrechtsreformdiskussion bringen, z. B. durch leistungsorientierte Besoldung, für die Multimedia als Leistungskriterium gelten könnte.

Rechtsfragen:

Zur Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in thematischen und multi-medial unterstützten Studiengängen hat die Kultusministerkonferenz am 16. Oktober 1998 einen Beschluss gefasst, der einen ersten Schritt zur Integration multimedialer Lehre einschließlich der zugehörigen Prüfungen und Zertifizierungen in das normale Studienangebot darstellt. Die Entwicklung von Qualitätskriterien und die Anerkennung von Zertifikaten anderer Hochschulen sind weitere Aufgaben, die derzeit bearbeitet werden. Noch nicht abgeschlossen sind auch die Klärung der urheber- und nutzungsrechtlichen Fragen, die nicht zuletzt für eine Verbreitung über die eigene Hochschule hinaus, überregional und international von entscheidender Bedeutung sind. Die Auswirkungen auf Kapazitätsrecht, Deputatsanrechnungen und Personalstruktur der Hochschulen müssen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Gremien der Kultusministerkonferenz erörtert werden, das ist Gegenstand der derzeitigen Beratungen.

Gebühren:

Die Staatssekretäre sind darüber einig, dass eine sozialverträgliche Gestaltung der Gebühren für den Schul- und Hochschulbereich unabdingbar für die breite Anwendung und Nutzung ist. Angesichts des aktuellen Wettbewerbs der Anbieter sollte die Chance genutzt werden, auch für den Bildungsbereich zu weiteren Vergünstigungen zu kommen. Die Arbeitsgruppe wird deshalb ihre Gespräche mit den Netz- und Telekommunikationsdienstanbietern fortsetzen. Die Arbeitsgruppe wird der Bund-Länder-Kommission im Frühjahr 2000 ihren abschließenden Bericht übergeben.

Abschließend einige Anmerkungen zu Multimedia im Hochschulbereich im Land Brandenburg; über BIS 2006 als ressortübergreifende Strategie berichtet mein Kollege Dr. Artzt im Rahmen dieses Forums. Das Wissenschaftsministerium sieht Multimedia als künftigen Entwicklungsschwerpunkt zeitgemäßer Hochschulausbildung. Für ein agrarisch strukturiertes Flächenland wie Brandenburg liegen Vorteile und Evidenz der Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in Forschung, Lehre und Weiterbildung auf der Hand. Sie bieten eine Chance, die Entwicklung des Landes in Wissenschaft und Wirtschaft entscheidend voranzubringen.

In enger Zusammenarbeit mit den Hochschulen werden die derzeit möglichen Leistungsanreize im Rahmen der leistungsbezogenen Mittelzuweisungen an die Hochschulen vorbereitet. Es ist ein regelmäßig tagender Arbeitskreis aller Hochschulen mit dem Wissenschaftsministerium vor einigen Jahren eingerichtet worden, um frühzeitig die Entwicklung von hochschulübergreifenden Projekten zu fördern und den gegenseitigen Informationsaustausch zu sichern. Den strukturellen Effekten von Multimedia ent-sprechend sieht das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie die entsprechende Landeskofinanzierung vor. Die Brandenburgischen Hochschulen können hierbei auf gute Netzanbindung sowie Campusvernetzung und mittelfristig abzuschließende Vernetzung der Studentenwohnheime aufbauen.


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Einführung/Thesenpapier/
Bericht

- Holger H. Lührig / Marion Lührig
- Prof. Dr. Herbert Kubicek
- Prof. Dr. Uta Meier
- Dr. Hermann Rotermund

Round-Table 1:
Multimedia-Nutzung und Lernen:
- Renate Hendricks
- Gabriele Lichtenthäler
- Prof. Dr. Birgit Dankert

Round-Table 2:
Bund/Länder-Programme auf dem Prüfstand
- Roland Simon
- Prof. Dr. Gabriele Winker